- Was unterscheidet die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) von anderen linken Parteien Frankreichs ?
Dies ist der wichtigste Unterschied : Auf der einen Seite stehen diejenigen, die glauben, man könne den Kapitalismus reformieren oder durch Wahlen überwinden. Die auf der anderen Seite sind davon überzeugt, daß sich die Gesellschaft nur durch Mobilisierung der Massen ändern läßt. Zu den ersteren würde ich — mit Abstufungen — die Kommunistische Partei (PCF) und Jean-Luc Mélenchon zählen, der die Parti de Gauche (PG, Linkspartei) anführt. Die hat sich kürzlich von der Sozialistischen Partei (PS) abgespalten.
Zu den Letzteren gehören wir und Lutte Ouvriere (LO). Wir unterscheiden uns in der Taktik : LO ist unseres Erachtens sektiererisch und darüber hinaus opportunistisch, indem sie sich — wie bei den letzten Kommunalwahlen – sogar mit der PS verbündet hat.
- Ihr Parteiname betont das »Antikapitalistische«. Damit beschreiben Sie zwar, was Sie ablehnen — aber was streben Sie an ?
Es stimmt, daß man nicht einfach nur »anti« sein kann. Die NPA macht aber eine Reihe positiver Vorschläge, wie etwa die generelle Anhebung der Löhne und Gehälter um 300 und des Mindestlohns um 400 Euro pro Monat. Oder die Schaffung eines öffentlichen Bank und Kreditpools unter Kontrolle seiner Nutzer. Das ist natürlich nur nach einem grundlegenden Wandel der Gesellschaft möglich.
- Ein zentrales Problem für alle linken Parteien ist die Frage der Regierungsbeteiligung. Wie halten Sie es damit ?
Wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Die wichtigsten sozialen Reformen, wie etwa der bezahlte Urlaub, wurden in Frankreich allerdings nicht durch Wahlen, sondern durch Generalstreiks erreicht. Bedingung für eine Regierungsbeteiligung muß sein, daß man sich auf eine Massenmobilisierung wie 1968 stützen kann und daß man Partner hat, die den Bruch mit dem Kapitalismus anstreben.
Die NPA-Mitgliedschaft des inhaftierten Action-Directe-Gründers Jean-Marc Rouillan hat für Aufregung gesorgt. Wie stehen Sie zum Konzept des bewaffneten Kampfes ?
Wir sind grundsätzlich zwar gegen Gewalt — aber die Geschichte hat immer wieder gezeigt, daß die Rechte und die kapitalistischen Kräfte keinerlei Hemmung haben, zu diesem Mittel zu greifen. Unter bestimmten Bedingungen kann Gegengewalt daher gerechtfertigt sein — etwa beim Kampf gegen Diktaturen. Das gilt heute z.B. für die Palästinenser in ihrem Kampf gegen die israelische Besatzung, das galt für unsere Großeltern in der Résistance gegen die deutschen Faschisten.
- Es gibt in der Linken den Vorwurf, die NPA und ihr Sprecher Olivier Besancenot beteiligten sich zu stark am Medienzirkus.
Leider ist es heute so, daß Sie gezwungen sind, in Talkshows aufzutreten, wenn Sie Millionen Menschen erreichen wollen. Unsere einzige Sorge dabei ist, ob unsere Botschaft die Leute erreicht oder nicht. Das Ergebnis ist positiv.
- Kritisiert wird auch die Gleichsetzung von NPA und Besancenot in der Öffentlichkeit.
Wenn wir zu einer Pressekonferenz mit Olivier einladen, sind die Medien da. Ist er nicht dabei, kommt niemand. Dennoch besteht die NPA nicht bloß aus Olivier — ganz im Gegenteil ! Deshalb wollen wir auch andere Sprecher bekannt machen — aber leider hängt das nicht nur von uns ab.
- Wie geht die NPA die Europawahl im Juni an ?
Zuerst wollen wir ein Programm erarbeiten, das wir möglichen Bündnispartnern wie der PCF oder der PG vorschlagen. Das soll sich allerdings nicht speziell auf die Europawahlen beziehen, sondern auch für die außerparlamentarischen Kämpfe sowie andere Wahlen gelten. Eckpunkte werden u. a. sein: Verbot von Entlassungen, Überprüfung der Privatisierungen oder Ausstieg aus der Atomenergie. Hinzu kommt eine eindeutige Stellungnahme gegen jede Regierungskoalitiion mit der PS. PCF und PG verhalten sich im Grunde leider wie Die Linke in Deutschland, die in Berlin in einer Koalition mit der SPD eine verheerende Politik zu verantworten hat.